Selten hat das Wort 'unglaublich' eine Begebenheit so treffend beschrieben wie den gestrigen Hockeyabend im Hallenstadion. Der 29. September 2009 wird in die Geschichtsbücher des Welteishockey eingehen. Wieso? Lest selbst...
Locker, erwartungsfroh, mit einer mächtigen Portion Vorfreude und dem Wissen, dass der ZSC wohl keine Chance haben wird, sind Dodo und ich gestern in ZSC-Montur - ich zusätzlich noch mit meinem Chicago Blackhawks Shirt - Richtung Bahnhof gezogen. Vor dem Hallenstadion tranken wir unser erstes Bier und genossen auf dem ZSC Lions Platz den herrlichen Herbstabend. Im Foyer drin belagerten wir den Fanshop - ich konnte nicht widerstehen und kaufte mir einen schwarzen Victoria Cup Schal mit den Logos der beiden Protagonisten drauf - und stiessen mit den Wildis auf deren Hochzeitstag an. Im Stadion drin konnten mich weder die jungen Fans noch das nervige Mannsweib, welche partout nicht absitzen wollten, im Gegensatz zu Dodo, nicht lange nerven. Schliesslich war ich hier um den Abend und dieses einmalige Eishockeyspiel zu geniessen und da konnten mich solche Lappalien nicht davon abbringen. Sitzen kann ich im Hallenstadion schliesslich noch oft genug.
Der Start des Spieles verlief ausgeglichen, Sulo rettete einige Male und wurde dann aber etwas unglücklich zum 1-0 der Blackhawks bezwungen. Alles nahm seinen gewohnte Lauf, dachte man. Plötzlich ging ein spür- und sehbarer Ruck durch den ZSC und sie spielten sich wie in einen Rausch. Der wunderschöne Solotreffer zum 1-1 Ausgleich durch Patrick Bärtschi war die logische Folge dieser begeisternden Druckphase. Die Halle vibrierte ein erstes Mal. Mit dem schon fast unglaublichen Unentschieden gingen die Teams in die Pause und ich Bier holen. Schnell noch dem Arbeitskollegen eine Zigi ausgerissen - bei erhöhtem Bierkonsum kommt die Lust zu rauchen wieder hoch, aber wirklich nur dann... - und dann wieder hoch in die Arena. Für das zweite Drittel erwartete ich ein Feuerwerk der Blackhawks. Das blieb aber aus und der junge Patrick Geering verwertete einen Abpraller, des uns noch allen aus Lugano Zeiten bestens bekannten Torhüters Huet, zum 2-1 für den ZSC. Die Halle bebte und das sollte sich bis zum Spielende nicht mehr ändern. In der zweiten Pause traf man in den Gängen nur auf ungläubig grinsende Gesichter. So traf ich zum Beispiel meinen alten Schulfreund Kuki, nach dem ich für Biernachschub gesorgt hatte. Wir lachten zusammen um die Wette und erzählten uns gegenseitig, dass das was wir gerade gesehen hatten, eigentlich gar nicht wahr sein konnte. Später brachte mich Dodo zu unserem Nachbarn Marco, seines Zeichens ein Klöti. Was ist hier falsch? Ein Kloten-Fan ist im Hallenstadion, dabei spielen die Flyers gar nicht. Es kommt noch besser, auch er strahlte wie ein Maikäfer. Er mutiert zum ZSC-Fan, ich spürte es. Immerhin hatte er gerade zum ersten Mal richtiges Eishockey live miterleben dürfen;-) Wir bezogen also wieder unsere Plätze und erwarteten nun eine noch heftigere Reaktion seitens Chicago. Sie dominierten zwar, spielten teilweise in Unterzahl Powerplay, aber irgendwie rettete sich der ZSC Mal um Mal und blieb in den Kontern jederzeit brandgefährlich. Die Zeit lief und irgendwie hoffte ich, dass dieser Moment noch lange anhalten möge. Andererseits kam die kaum fassbare Möglichkeit eines Sieges über ein NHL-Team immer näher und so gesehen hoffte ich, die Zeit möge rasch ablaufen. Drei Minuten vor Schluss wurde ein Konter des ZSC mit einem Foul gestoppt und der Schiri - sonst nicht immer über alle Zweifel erhaben - kreuzte sofort die Arme in der Höhe: Penalty! Patrick Bärtschi, der Huet schon einmal traumhaft hatte stehen lassen, lief an und.... scheiterte diesmal am Goali. Schade, ich hätte Trudel - ein fast todsicherer Schütze - laufen lassen. Die Sekunden vergingen, die ganze Halle stand Kopf und schliesslich zählten wir die letzen Sekunden herunter. Die Schlusssirene ertönte, das Spiel war aus, der ZSC hat die Chicago Blackhawks mit 2:1 geschlagen und somit nach der Champions Hockey League auch den Victoria Cup gewonnen. Wir lagen uns in den Armen, wie es auch die Z-Spieler unten auf dem Eis taten.
Noch immer schien es unfassbar, dass die grossen Chicago Blackhawks frustriert auf der blauen Linie standen und darauf warteten, die Silbermedaille abzuholen während der ZSC-Captain Mathias Seger kurz darauf den Victoria Cup entgegen nahm und in die Höhe stemmte, dies aber erst, nachdem er die ganze Mannschaft um sich versammelt hatte. Bezeichnend für den ganze Abend, diese Geste. Dodo und ich standen noch eine ganze Weile da, während sich das grosse Rund langsam leerte und die Spieler unten Interviews gaben. Schliesslich genehmigten wir uns noch ein letztes Siegesbier, quatschten mit bekannten Gesichtern und spazierten stolz und irgendwie immer noch ungläubig zum Bahnhof Örlikon hoch.
Zu Hause erwartete uns Momo. Sie hatte sich die Hochhaus-Aufführung von 'La Bohème' im Fernsehen angesehen und wusste nicht mal, was der ZSC während dem historisches vollbracht hatte. Im Fernsehen liefen die Mitternachtsnachrichten und noch vor Schreckensmeldungen wie dem Tsunami oder dem Feuer in Herisau kam die Sensationsmeldung aus dem Hallenstadion. Zum guten Abschluss des Abends schmückte ich des Nachbarn Wohnungstüre noch mit einer ZSC Fahne, gab meiner Freude im Facebook Ausdruck und pöbelte einen lächerlichen Davosfans an. Schliesslich sank ich zufrieden und überglücklich ins Bett. Gerne hätte ich vom ZSC geträumt, aber offenbar war ich zu kaputt dazu und dann dröhnte auch schon wieder der Wecker neben mir. Schnell die nach einem solchen Abend obligate Kopfwehtablette eingeworfen und ab ins Büro. Dort werde ich wohl schon produktivere Tage erlebt haben, denn heute schwebe ich durch die Welt während auf meiner Stirne in blau-weiss-rot zu stehen scheint: Bitte nicht stören, Schäri träumt vom ZSC!
Als erstes Schweizer Team überhaupt, hat der ZSC eine Mannschaft aus der NHL geschlagen. Der SCB verlor beispielsweise letztes Jahr mit 1:8 gegen die Rangers während Davos einen Tag vor dem ZSC-Triumph gegen die Blackhawks mit 2:9 unter ging. Wir haben die Kohlen für das Schweizer Eishockey wieder aus dem Feuer geholt, wie bereits vor acht Monaten mit dem fantastischen Sieg der Champions Hockey League gegen Metallurg Magnitogorsk. Mit dem Gewinn des Victoria Cups gilt der ZSC inoffiziell als bestes Eishockeyteam der Welt! {easycomments}
Ein historischer Eishockeyabend
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