Schwerzenbach - Oerlikon in zwei Stunden

Der Plan war einfach. Ich nehme am Samstag, 4. Juni 2016 um 15:31 Uhr die S14 ab Schwerzenbach, fahre nach Oerlikon, wo mich meine Freunde in Empfang nehmen und wir zusammen den IR nach Luzern besteigen. Dort geht's mit dem Shuttle-Bus in wenigen Minuten zur Allmend, wo wir gegen 17:00 Uhr eine Wurst und ein Bier bestellen und uns dem Rammstein Auftritt entgegen trinken würden. Soviel zur Theorie, denn gekommen ist es etwas anders.

Nun, die S14 erschien pünktlich in Schwerzenbach, was seit Wochen auch keine Selbstverständlichkeit mehr ist und fuhr auch schnurstracks bis nach Oerlikon. Kurz vor dem Bahnhof mit den endlosen Baustellen machten wir einen kleinen Halt. Mein Wagen, ich sass im vordersten, also der Lok, kam genau auf der Brücke über der Schaffhauserstrasse zu stehen. Ich hatte einen prächtigen Blick zum Hallenstadion. Schon bald liess der Zugführer verlauten, dass wir einen technischen Defekt hätten. Kurz darauf erzählte er uns von weiteren Verzögerungen, weil er einen Reset der Maschine machen müsse. Langsam machte ich mir Sorgen um unseren Anschlusszug nach Luzern. Ich tigerte vor den Türen hin und her, informierte meine Kollegen via WhatsApp über die neuesten Geschehnisse und amüsierte mich fast ein wenig, wie sich zwei Balkan Girls neben mir in ihrem perfekten Slang über das gleiche aufregten wie ich. Ja, zu diesem Zeitpunkt stand ich immer noch vor der Türe. Schliesslich war ich noch einigermassen guten Mutes, dass es bald weiter gehen würde. Die Durchsagen des Lokführers wurden immer spärlicher, der Anschlusszug war schon längst ohne uns Richtung Luzern unterwegs und die Temperatur im Zug stieg immer weiter an, denn mittlerweile hatten wir keinen Strom und somit auch keine Klimaanlage mehr. Meine Freunde sassen längst beim kühlen Bier im Le Muh, ehemals Swissotel und schickten mir vergnügt Fotos. Nun kam ein Begleiter der Balkan Girls fluchend die Treppe hoch gestampft und wetterte über die 'Scheiss Schweiz'. OK Freundchen, mein Puls ist auch schon länger erhöht, aber ein solch dummes Geschwätz von einem Vollidioten wie dir hat mir wirklich noch gefehlt. Viele Gemeinheiten und Heimreisewünsche lagen mir auf der Zunge, ich schluckte sie aber dem Frieden zu liebe wieder runter und ging ins 'Erdgeschoss' des Zuges, wo ich mich hin setzte. Eine halbe Stunde nach unserem unplanmässigen Halt wurden wir von der Leitzentrale gegen 16:09 Uhr informiert, dass wir vom Lösch- und Rettungszug abgeschleppt werden müssen, der stehe im Moment noch in Winterthur. Ein Aufschrei ging durch den Wagon. Um 16:38 Uhr hiess es, der Abschleppzug sei in 15 Minuten bei uns und ziehe uns nach Wallisellen zurück, ein Stossen nach Oerlikon sei aus technischen Gründen nicht möglich. Der nächste Aufschrei! Als der Lokführer ein x-tes Mal an uns vorbei lief und sich allerlei Nettigkeiten anhören musste, stellte ich ihn zur Rede und fragte, wieso um Gottes Willen wir solange in dieser Sauna sitzen müssten, wo man doch hier easy aussteigen und zum Bahnhof hätte laufen können. Er entgegnete, dass er das nicht dürfe. Die Leitzentrale hätte es verboten, weil es zu gefährlich sei. Sorry, kann ich nicht gelten lassen. Man hätte auch locker irgendwo den Hang hinter laufen können und wäre hinter dem Hallenstadion gelandet. Aber die Leute fast zwei Stunden in diesem Masoala Zug gefangen zu halten, das war unter aller Sau. Zumal es auch Passagiere im Zug hatte, welche auf dem bestem Weg waren, ihren Flug in Kloten zu verpassen. Um 17:15 Uhr waren wir im Laufschritttempo unterwegs nach Wallisellen, wo wir schliesslich um 17:26 Uhr die nächste S-Bahn nach Oerlikon mit einem unguten Gefühl im Magen bestiegen. Noch in dieser S-Bahn habe ich von Leidesgenossen erfahren, dass auf dem Perron 10 Franken Gutscheine verteilt worden seien. Dass ich das nicht mitbekommen habe wundert mich nicht wirklich. Knapp zwei Stunden später als geplant stieg ich schliesslich in Oerlikon aus, lief im Stechschritt zur Bar rüber und begrüsste meine Freunde, die es sich dort mit Bier und Gin Tonic gemütlich gemacht hatten. Um 17:52 Uhr nahmen wir im IR nach Luzern Platz. Bezeichnenderweise fuhr ein Ersatzzug ein, weil die Originalbesetzung offenbar einen Defekt hatte.

Mit zwei Stunden Verspätung trafen wir schliesslich auf der Allmend in Luzern ein. Das Konzert von Apocalyptica war längst Geschichte. Ich hätte die Jungs gerne gehört. Wir haben ja schliesslich auch dafür Eintritt bezahlt. Stattdessen spielten jetzt Slayer, bei deren Auftritt man kein Lied vom anderen unterscheiden konnte. Die dröhnten einfach vor sich hin. Egal, unsere nächsten Ziele waren Wurst, Bier und Rammstein!

Die gute alte SBB habe ich Zeit meines Lebens bei jeder Verspätung in Schutz genommen und verteidigt. Das ist seit dem vergangenen Samstag zu Ende. Nach den mittlerweile schon fast alltäglichen Verspätungen, technischen Defekts und Zugsausfällen in der für mich relevanten Region Hardbrücke, Zürich HB und Stadelhofen, hat es mir nun endgültig den Rest gegeben. Solange ich mich fast täglich über unseren ÖV aufregen muss, wird es mir schwer fallen, irgendwas Positives über unsere Schweizerischen Bundesbahnen zu erzählen. Mit dieser Aktion in Oerlikon habt ihr es verspielt mit mir und ich werde es mir in Zukunft gut überlegen, bei einer weiteren Reise nicht doch ins Auto zu steigen.

Ach ja, nur zwei Tage nach diesem Desaster war ich bereits wieder auf meinem Arbeitsweg und die Durchsagen im Zug oder auf dem Perron durchsiebten mich regelrecht. Und auch heute Morgen ist einiges los auf den Geleisen, aber OK, bei einer Brandstiftung ist sogar die SBB mal unschuldig. Ich hoffe es zumindest;-)