Todesfall am Geburtstag?

Am Samstag, dem 20. Juni 2009, feierten wir den 8. Geburtstag von Noah. In Festlaune sassen wir mit unseren Gästen gemütlich auf dem Sitzplatz, grillten und genossen den, entgegen den Prognosen, doch noch lauschigen Abend.

Irgendwann nach 18:30 Uhr kam plötzlich Dodo etwas verstört zu mir an den Grill und sagte mir, dass zwei Frauen der Kantonspolizei in der Wohnung stünden und mit mir sprechen wollten. Es gehe um meinen Vater, mehr wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Die wildesten Gedanken schossen mir durch den Kopf und klare Gedanken zu fassen war nicht mehr möglich. Erst recht, als uns die beiden Damen in zivil in einem separaten Zimmer sprechen wollten. Es sollten nicht alle mithören können, was sie uns zu sagen hätten, hiess es kurz und knapp. Wir gingen schliesslich ins Kinderzimmer unseres Geburtstagskindes und stellten uns Auge in Auge den beiden Polizistinnen entgegen. Sie überbrächten solch wichtige Mitteilungen immer persönlich, darum ständen sie nun hier, sagte uns die blonde der beiden Beamtinnen und eröffnete mir schliesslich die furchtbare Nachricht. Mein Vater habe im Fischenthal einen Autounfall gehabt und sei dabei leider ums Leben gekommen. Während Dodo bereits in Tränen ausgebrochen war, bekundeten uns die beiden Polizistinnen, wie leid es ihnen täte. Ich erkundigte mich nach dem genauen Unfallhergang. Es sei ein Selbstunfall aufgrund eines Herzinfarktes gewesen. Es sei sonst niemand zu Schaden gekommen. Mir wurde ein Kondolenzkärtchen überreicht, worin unter anderem die Adresse des diesen Fall bearbeitenden Polizisten stand. Ein Herr Moser, wenn ich mich richtig erinnere. Ruhe trat in den Raum und die Leere in mir wurde immer grösser. Wenn ich jetzt, im Nachhinein daran zurückdenke - und hey, das ist öfters als mir lieb ist -, staune ich, wie cool ich in jenem Moment geblieben bin. Aber ich gehöre wohl eher zu jener Sorte Mensch, welche eine Weile brauchen, bis die Maschinerie im Inneren anrollt, diese dann aber dafür umso heftiger und länger rotiert.

Die Stille im Kinderzimmer wurde von der braunhaarigen Polizistin gebrochen, indem sie uns das Geburtsdatum des Verunfallten nannte. Sie wollte sich die letzte Bestätigung sichern, dass es sich beim Verunfallten auch wirklich um meinen Vater handelte. Ich kann mich knapp an ein Datum im Jahre 1947 erinnern. Meine Frau und ich sahen uns fragend an und ich entgegnete der Beamtin ziemlich erstaunt, dass das nicht das Geburtsdatum meines Vaters sei. In der ganzen Aufregung kam mir aber das richtige Geburtsdatum nicht mehr in den Sinn, auch wenn mein Vater nur zwei Tage vor mir Geburtstag hat. Es war wie weggeblasen. Nun änderten sich auch die Gesichtsaudrücke der beiden Polizistinnen und schliesslich rückte die eine mit dem Vornamen 'Hans' des Opfers heraus. Erst ab dann war Dodo und mir klar, dass mein Vater 'Robert' offenbar noch leben musste.

Die Erleichterung war gross, der Schock aber noch viel grösser. Eine seltsame Stimmung umgab uns vier und den beiden Polizistinnen war es sichtlich nicht recht. Sie entschuldigten sich dafür, dass sie zu uns nach Hause beordert worden seien und waren vermutlich froh, möglichst rasch unsere Wohnung verlassen zu können. Wir verabschiedeten die beiden und der Spuk war vorbei.

Für einen kurzen Moment der Ruhe und zur Gedankenbündelung ging ich alleine in unser Büro und sah, dass uns jemand eine Mail geschickt hatte. Omika und Opa gratulierten Noah auf diesem Weg zum Geburtstag. Das Schreiben schwebte ungefähr eine Stunde vor dem Besuch der Polizistinnen in unsere Mailbox. Das gibt's nicht, dachte ich mir, und rief Dodo zu mir. Auch sie las die Mail und schüttelte nur den Kopf.

Auch unsere Gäste waren ob dieser unglaublichen Geschichte und dem amateurhaften Vorgehen der beiden Polizistinnen geschockt. Wie kommt man dazu jemandem den Tod eines Familienmitgliedes zu eröffnen, ohne vorher hieb- und stichfest abgeklärt zu haben, dass man auch wirklich vor den richtigen Angehörigen steht?

Immer wieder sehe ich die beiden Beamtinnen vor mir stehen, wie sie mir die Todesnachricht meines Vaters überbringen. Dodo hat eine schlaflose Nacht hinter sich. Mir rast das Herz nur schon beim Schreiben dieses Blogs wieder heftig und wenn ich jemandem vom Erlebten erzähle, beginne ich zu zittern. Ich fürchte, dieser Schock bleibt uns noch eine Weile in den Knochen stecken und die Nachricht vom Tode meines Vaters wird uns noch lange beschäftigen. Natürlich habe ich meinen Vater postwendend angerufen und war mehr als erleichtert, dass ich am Telefon mit ihm sprechen konnte. Er war nicht minder erstaunt, von seinem angeblichen Tod zu erfahren.

Ich konnte es nicht lassen und habe der Kantonspolizei einen Brief mit ähnlichem Inhalt wie hier geschrieben. Ich möchte die Chefetage einfach über dieses stümperhafte Vorgehen informieren und hoffe, dass unsere Kantonspolizei in Zukunft keine falschen Todesnachrichten mehr verbreitet.

Die Bemerkung des Tages hat Dodo gemacht: "Schade, sass Opa an jenem Samstag nicht bei uns auf dem Sitzplatz…" {easycomments}